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„Die Additive Fertigung wird den Markt entscheidend verändern“

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    Die Additive Fertigung – landläufig auch als 3D-Druck bezeichnet – zählte zu den Leitthemen der internationalen Baumaschinen- und Baustoffmesse bauma 2022. Im Interview umreißt der Wissenschaftler Prof. Dr.-Ing. Harald Kloft das Potenzial und den Status dieser branchenweit als Megatrend eingestuften Technologie.

    Ein 3D-Drucker, der mehrschichtige Wände aus Beton erstellt.
    © PERI_achim reissner
    „Meilenstein für den 3D-Betondruck: 2020 druckte PERI die ersten beiden Wohnhäuser Deutschlands mit einem BOD2 3D-Betondrucker der Firma COBOD. Beim Projekt Wallenhausen (Bild) handelte es sich um das bis dato größte gedruckte Gebäude Europas: Ein 5-Familienhaus mit 3 Stockwerken und ca. 380 qm Wohnfläche“.
    Ein Bauarbeiter mit Helm und Maske bedient einen großen blauen 3D-Betondrucker.
    © PERI_achim reissner
    „Meilenstein für den 3D-Betondruck: 2020 druckte PERI die ersten beiden Wohnhäuser Deutschlands mit einem BOD2 3D-Betondrucker der Firma COBOD. Beim Projekt Wallenhausen (Bild) handelte es sich um das bis dato größte gedruckte Gebäude Europas: Ein 5-Familienhaus mit 3 Stockwerken und ca. 380 qm Wohnfläche“.
    Ein 3D-Drucker, der mehrschichtige Wände aus Beton erstellt.
    Ein Bauarbeiter mit Helm und Maske bedient einen großen blauen 3D-Betondrucker.

    Professor Kloft, nach Ihrer Auffassung hat die Additive Fertigung das Potenzial, die Art und Weise, wie wir in Zukunft bauen, grundlegend zu verändern. Woran machen Sie das fest?

    Harald Kloft: Bei den traditionellen Bauprozessen verwenden wir viel Zeit und Energie darauf, mit Systemschalungen oder aus standardisierten, industriell gefertigten Halbzeugen individuell geformte Bauwerke zu erschaffen. Im Vergleich dazu ist der digital gesteuerte, schichtweise Werkstoffauftrag des 3D-Drucks deutlich ressourceneffizienter, ökonomischer und ökologischer, weil das Material wirklich nur dort platziert wird, wo es eine Funktion hat. Wirtschaftlich wird die Methode außerdem dadurch, dass praktisch alle handwerklichen Arbeitsprozesse wegfallen. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Berufswelt: Bei der Additiven Fertigung brauchen wir zwar weniger, dafür aber hochqualifizierte Arbeitskräfte. Last but not least hat der zu Ende gedachte 3D-Druck das Potenzial, eine neue Formensprache im Bauwesen zu generieren.

    Was ist das „Vokabular“ dieser neuen Formensprache?

    Harald Kloft: Grundsätzlich ermöglicht der 3D-Druck eine bislang ungekannte Freiheit in der Formgebung. Allerdings ‚will‘ zum Beispiel ein Beton-Extrusions-Drucker möglichst immer in einer kontinuierlichen, fließenden Linie arbeiten. Da erscheint es wenig sinnvoll, partout ein rechteckiges Gebäude drucken zu wollen, vielmehr entsprechen eher Kurven und Abrundungen dem Wesen des Druckprozesses. Hier sehe ich ein zukünftiges Potenzial für disruptive Gestaltungs- und Architekturideen, die sich stärker an den Formen der Natur orientieren.

    Wer treibt von Unternehmensseite die Entwicklung der Additiven Fertigungsmethoden im Bauwesen voran?

    Harald Kloft: Klassischerweise ist der Markt aufgeteilt in Baustoffhersteller, Zulieferer – wie zum Beispiel aus dem Schalungs- oder Gerüstbau – und Firmen, die die Umsetzung auf der Baustelle übernehmen. Bei der Additiven Fertigung können diese Bereiche nicht mehr voneinander getrennt gesehen werden: Da das Material im Druckprozess in Form gebracht wird, bilden Material und Drucker eine symbiotische Einheit. Es ist zu beobachten, dass aktuell die technologische Entwicklung hauptsächlich von neu im Markt auftretenden Unternehmen vorangetrieben wird. Diese tun sich scheinbar leichter als beispielsweise ein etablierter Baumaterial- oder Fertigteilhersteller, die mit dem 3D-Druck möglichen Innovationen aufzunehmen und neue Geschäftsideen aufzubauen.

    Was sind aktuell die wesentlichen Hürden und zu meisternden Herausforderungen für den 3D-Druck im Bauwesen?

    Harald Kloft: Seitens der Bauvorschriften sind da vor allem die bislang noch fehlenden allgemeingültigen Normen und Regeln für die eingesetzten Materialen und Verfahren zu nennen. Deshalb sind im Moment projektbezogene Zulassungen bei der Umsetzung von 3D-gedruckten Bauvorhaben erforderlich.

    Technologisch müssen zum Beispiel noch intelligente Lösungen für die Integration von Bewehrungen und die Nachbearbeitung der mit dem Betondruck einhergehenden, inhomogenen Oberflächen gefunden werden. Letztere könnten sich allerdings als idealer Untergrund für einen mechanischen Verbund mit Putzen oder Dämmmaterialien erweisen – im Idealfall ebenfalls additiv aufgetragen, beispielsweise durch einen Roboter. Für diese Fragen wird der Markt sicher in naher Zukunft Antworten finden. Genauso, wie auf die Frage, in welchen Fällen ein 3D-Druck im Werk oder direkt auf der Baustelle sinnvoller ist.

    Was tut sich bei der Entwicklung der druckbaren Materialien?

    Harald Kloft: Wie schon gesagt, können neue Materialien nicht unabhängig vom Druckprozess entwickelt werden. Aktuell wird vor allem an mehr Varianz bei der Dichte des Materials im Hinblick auf Festigkeit, Dämmeigenschaften und Gewicht gearbeitet. Ein sicherlich lohnenswertes Ziel für die Zukunft wäre auch der Einsatz von Recyclingbeton.

    In welchen Baubereichen wird sich die Additive Fertigung nach Ihrer Einschätzung als Erstes durchsetzen?

    Harald Kloft: Ein derzeit wegweisendes Projekt ist die von General Electric vorangetriebene Herstellung der Turmsockel von Windkraftanlagen im Beton-3D-Druck. Der Windturbinenhersteller arbeitet dabei zusammen mit dem Baukonzern Lafarge Holcim und dem 3D-Druck-Spezialisten Cobod. Dadurch, dass die Turmbasis direkt auf der Baustelle produziert wird, entfällt die Transportproblematik von großformatigen Bauteilen und es sollen bis zu 200 Meter hohe Windkraftanlagen möglich werden.

    Bei solchen Lösungen kann die Additive Fertigung ihre technologische Stärke voll ausspielen und neue Anwendungen ermöglichen, während im Wohnungsbau Bauzeit, Kosten und Materialeinsatz die aktuellen Treiber sind. Hier zeigen die ersten beiden 3D-gedruckten Wohnhäuser Deutschlands von Peri/Cobod, dass bereits Mehrfamilienhäuser mit drei Stockwerken realisierbar sind. Um den Beton-3D-Druck in der Baupraxis zu etablieren, besteht noch jede Menge Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Wenn es dann soweit ist, wird der Einsatz von 3D-Druckern wahrscheinlich bei vier- bis sechsgeschossigen Gebäuden am effizientesten sein.

    Unter dem Strich lässt sich sagen, dass es auf absehbare Zeit immer noch viel Raum für andere Technologien auf den Baustellen geben wird, aber die Additive Fertigung wird den Markt entscheidend verändern.

    Zur Person:

    Prof. Dr.-Ing. Harald Kloft leitet das Institut für Tragwerksentwurf (ITE) an der TU Braunschweig. In dieser Funktion ist er unter anderem Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs TRR 277 „Additive Fertigung im Bauwesen – die Herausforderung des großen Maßstabs“, der Anfang 2020 seine Arbeit aufnahm.

    Ein Mann mit Brille in schwarzem Hemd, leicht lächelnd, vor weißem Hintergrund.
    © © Kirsten Bucher
    Prof. Dr.-Ing. Harald Kloft, der Leiter des Instituts für Tragwerksentwurf an der TU Braunschweig. Bild: Kirsten Bucher