„Bergbauunternehmen auf der ganzen Welt stehen heute vor der Aufgabe, ihre Produktivität zu steigern – und gleichzeitig möglichst nachhaltig zu agieren“, sagt Klaus Stöckmann. Der Mining-Experte des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) fährt fort: „Beispielsweise beziehen Investoren in den letzten Jahren zunehmend den ESG-Dreiklang in ihre Finanzierungsentscheidungen mit ein.“ Unter ESG versteht man die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance).
Unter den ökologischen Zielen des Mining-Sektors steht die Reduktion von Emissionen ganz oben auf der Agenda. „Hier kommen Umweltschutz und Ökonomie geradezu mustergültig auf einen Nenner, denn weniger Abgase untertage dienen nicht nur dem Klimaschutz, sondern sparen auch Kosten in der Frischluftversorgung“, verdeutlicht Stöckmann. Hinzu kommen Arbeitsschutzaspekte. So sind in Deutschland zum Beispiel ab November 2021 neue, ambitionierte Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) für Stickstoffmonoxid und -dioxid im Bergbau anzuwenden. Und auch die AGW für Kohlenstoffmonoxid und partikelförmige Dieselmotor-Emissionen werden verschärft.
Als Antwort auf diese Herausforderungen nutzen Bergwerksbetreiber verstärkt elektromotorische Antriebe. Beispielsweise schlossen die österreichische VA Erzberg GmbH und der Maschinenbauer Liebherr auf der internationalen Baumaschinenmesse bauma im Jahr 2019 einen Entwicklungsvertrag über ein Oberleitungs-Assistenzsystem für einen dieselelektrischen Schwer-LKW. Bislang werden in der größten Siderit-Lagerstätte der Welt in Eisenerz/Österreich für den Transport von 13 Millionen Tonnen Gestein jährlich rund 4,5 Millionen Liter Diesel verbraucht. Mit dem neuen System sollen es zukünftig drei Millionen Liter weniger sein, was 4200 Tonnen Kohlendioxid entspricht.
Während leitungsgebundene E-Maschinen im Bergbau schon lange gang und gäbe sind, stehen seit einigen Jahren zudem batterieelektrische Lösungen im Fokus. Auf Herstellerseite hat sich beispielsweise die Epiroc AB zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 die gesamte Palette seiner Untertage-Bergbauausrüstung als batterieelektrische Versionen anzubieten. Schon heute umfasst das E-Portfolio des schwedischen Maschinenbauers Lader, Grubenwagen und Bohrgeräte. Auch die Anwender ziehen bei dem Trendthema mit. So will Rio Tinto, einer der größten Bergbaukonzerne der Welt, seine absoluten Emissionen bis zu Jahr 2030 um 15 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 2018 reduzieren. Zum Erreichen dieses Ziels gehört laut dem Climate Change Report 2020 des Unternehmens eine vollständig batterieelektrische mobile Flotte.
Wer es mit dem Klimaschutz erst meint, muss sich auch fragen, woher der in den Maschinen eingesetzte Strom kommt. In diesem Zusammenhang testet eine wachsende Zahl von Bergbauunternehmen Solar-, Wind- und Batteriespeichersysteme an ihren Standorten. Einen Überblick hierzu mit vielen Fallstudien gibt der Ende 2018 erschienene Bericht „The Renewable Power of the Mine“, erstellt vom Columbia Center for Sustainable Investment mit finanzieller Unterstützung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.
Ein weiterer, gerade auch unter Umweltaspekten zunehmend wichtiger Aspekt des modernen Bergbaus ist die Ressourceneffizienz. „Hier treffen sich Ökologie und Ökonomie mit den Trendthemen Automatisierung und Digitalisierung“, sagt Prof. Dr.-Ing. Elisabeth Clausen. Das von ihr geleitete Institute for Advanced Mining Technologies an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen entwickelt für den Bergbau robuste, vernetzte und autonome Systeme sowie smarte sensor- und datenbasierte Anwendungen. „Damit wollen wir beispielsweise Fahrzeuge lokalisieren und navigieren, Personen und Objekte erkennen, Materialien charakterisieren sowie Prozesse automatisieren und optimieren“, umreißt die Expertin.
Zu den Hauptzielen der angestrebten Lösungen gehört es nach ihren Worten, den jeweiligen Rohstoff möglichst selektiv zu gewinnen. „Damit sind automatisch auch ökologische Vorteile verbunden“, betont die Professorin. So könnten mit einer digitalen Umgebungserkennung während der Gewinnung kontinuierlich die geologischen Strukturen der Lagerstätte analysiert werden. „Je besser die Erkennung, desto präziser der Abbau, desto weniger Abraum, desto niedriger der Energieverbrauch bei der Gewinnung und desto geringer die Transportaufwendungen“, beschreibt Prof. Clausen eine der umweltrelevanten Kausalketten. Außerdem können nach ihren Angaben sensor- und datenbasierte Lösungen und Technologien dazu führen, dass zukünftig auch Lagerstätten mit geringen Rohstoffgehalten, die heute technisch und/oder wirtschaftlich nicht gewinnbar sind, noch wirtschaftlich abgebaut werden können – ebenfalls ein Schritt hin zu höherer Ressourceneffizienz.
Elektrisch angetriebene Maschinen, Nachhaltigkeitsaspekte und die Konzepte des „Bergbaus 4.0“ gehörten zu den spannenden und zukunftsweisenden Themen, die auch auf der bauma 2022 diskutiert wurden. Die weltweit führende Messe für Baumaschinen, Baustoffmaschinen, Bergbaumaschinen, Baufahrzeuge und Baugeräte fand vom 24. bis 30. Oktober 2022 auf dem Münchener Messegelände statt.