Alle Folgen des bauma TALK-Podcasts
Sprechende Maschinen: Die neue Sprache des vernetzten Bauens
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung etabliert sich vernetztes Bauen als entscheidender Faktor für die Zukunft der Bauwirtschaft. Digitale Technologien, standardisierte Schnittstellen und smarte Maschinen eröffnen neue Potenziale in Effizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit.
Die Weltleitmesse bauma beleuchtet diese Entwicklungen im Rahmen des bauma TALK Podcasts. In der Folge „Talking machines: The new language of networked construction“ vom 05. Februar 2025 sprechen die die Experten Katharina Schick und Benjamin Beck über die Chancen und Herausforderungen der Konnektivität auf der Baustelle.
Vorstellung der Sprecher
Zur Person
- Projektmanagerin bei Liebherr-Hydraulikbagger GmbH
- Expertin für die standardisierte Schnittstellen für Baumaschinen
- Aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft MiC 4.0
Zur Person
- Seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dresden, Professur Fluid-Mechatronische Systemtechnik
- Gruppenleiter „Mobile Systemtechnik“ (2019–2024)
- Koordinator des Verbundprojekts Bauen 4.0 (Automatisierung & Vernetzung von Baumaschinen)
- Aktives Mitglied der MiC 4.0-Arbeitsgruppe „Maschinendaten“
- Seit 2023 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Construction Future Lab, verantwortlich für die „Digitale Laborbaustelle“
- Koordinator des Verbundprojekts Fluid 4.0 (Einsatz von AAS für durchgängige Use Cases in fluidtechnischen Systemen)
- Seit März 2025 Chief Strategy Officer (CSO) am Construction Future Lab (Strategie, Marketing & Vertrieb)
Digitale Baumaschinen als Datenschatz
Durch die zunehmende Digitalisierung entwickeln sich Baumaschinen zu wertvollen Datenlieferanten. Sie erfassen kontinuierlich Informationen über Zustand, Leistung und Arbeitsqualität – ein echter Datenschatz für Bauunternehmen. Diese Daten eröffnen neue Möglichkeiten im Flotten- und Baustellenmanagement: Tankrouten lassen sich effizienter planen, Leerlaufzeiten minimieren und der Maschineneinsatz gezielt anhand exakter Auslastungsanalysen optimieren. „Viele neue Baumaschinen werden mit vorinstallierten Konnektivitätsmodulen ausgeliefert, die wichtige Informationen wie Positionen, Tankfüllstände und Fehlercodes über mobile Kommunikation an die Server der OEMs senden", erklärt Benjamin Beck. Bauunternehmen können diese Daten über die Softwares der Hersteller dann nutzen und daraus Schlüsse ziehen. Der Schlüssel zum Fortschritt liegt jedoch in der Interoperabilität.
Interoperabilität: Der Schlüssel zur vernetzten Bauwirtschaft
Interoperabilität ist zugleich Herausforderung und Chance auf dem Weg zum digitalen Bauen. Sie ermöglicht es Maschinen, Systemen und Software unterschiedlicher Hersteller, reibungslos miteinander zu kommunizieren und Daten auszutauschen. „Das übergeordnete Thema für uns beide ist Interoperabilität. Wenn Sie gemischte Flotten haben und alles perfekt aufeinander abstimmen sowie automatisierte Überprüfungen und Konfigurationen durchführen möchten, ohne sich mit proprietären Schnittstellen herumschlagen und jede einzelne Schnittstelle entwickeln zu müssen, brauchen Sie Interoperabilität, um Lösungen bereitzustellen, die auf dem Markt einsetzbar sind“, erklärt Benjamin Beck. „Das Problem heute ist jedoch, dass die aktuellen Schnittstellen zwischen den Maschinen und den Anbaugeräten, die meist nur hydraulisch sind, für diese intelligenteren Funktionen einfach nicht ausreichen, wenn wir intelligentere, bessere Funktionen wollen”, ergänzt Katharina Schick. Ohne gemeinsame Standards müssten Unternehmen aufwendig herstellerspezifische Anpassungen entwickeln.
Das übergeordnete Thema für uns beide ist Interoperabilität. Wenn Sie gemischte Flotten haben und alles perfekt aufeinander abstimmen sowie automatisierte Überprüfungen und Konfigurationen durchführen möchten, ohne sich mit proprietären Schnittstellen herumschlagen und jede einzelne Schnittstelle entwickeln zu müssen, brauchen Sie Interoperabilität, um Lösungen bereitzustellen, die auf dem Markt einsetzbar sind.
Die größten Hürden bei der Etablierung universeller Standards sind dabei nicht primär technischer, sondern organisatorischer und politischer Natur. „Technisch gesehen ist das Problem größtenteils gelöst. Ich denke, es gibt eher organisatorische und politische Herausforderungen, wie bei jedem Standardisierungsprozess. Jeder hat seine eigenen Schwerpunkte und Produkte, und es wird zunächst einige Anstrengungen erfordern, um Unternehmensprozesse zu ändern“, so Benjamin Beck. Es erfordert einen anfänglichen Aufwand zur Anpassung von Unternehmensprozessen, und vor allem muss klar sein, „warum jemand diesen Datenpunkt für welchen Anwendungsfall möchte".
Zudem lässt die Qualität bestehender Standards wie ISO 15143-3 Interpretationsspielräume, was die maschinelle Datenübertragung erschwert. Hinzu kommen Herausforderungen wie lückenhafte Mobilfunkabdeckung oder zeitverzögerte Datenübermittlung – problematisch für Echtzeitüberwachung und Fernsteuerung.
Die Chancen der Interoperabilität auf einen Blick
- Effizienzsteigerung und Kostenreduktion: Sie ermöglicht automatisierte Abläufe, optimiert den Maschineneinsatz und reduziert Leerlaufzeiten, was zu erheblichen Kosten- und Zeitersparnissen führt.
- Erhöhte Sicherheit: Durch die standardisierte Kommunikation können Fehlfunktionen oder unsachgemäße Anbaugeräte erkannt und Unfälle vermieden werden
- Verbesserte Datenqualität und -verfügbarkeit: Dies schafft die Grundlage für die Entwicklung zahlreicher neuer Innovationen und die Automatisierung von Prozessen wie der Dokumentation und des Aufgabenmanagements.
- Vereinfachtes Management von Flotten: Projektmanager können den Überblick über den Maschinenpark behalten, Logistik planen und den Fortschritt genau überwachen.
MiC 4.0: Der Game Changer für Vernetztes Bauen
Hier setzt MiC 4.0 an, ein Projekt des VDMA, das sich der Standardisierung der Kommunikation in der Baubranche verschrieben hat. Auf der bauma 2025 stellt die Arbeitsgruppe den sogenannten MiC 4.0-Bus vor: „Der MiC 4.0-Bus ist ein Kommunikationsstandard, der die Kommunikation zwischen dem Bagger und den von ihm verwendeten Anbaugeräten vereinfachen und standardisieren soll“, erklärt Katharina Schick. „Ich denke, das beste Beispiel für ein Werkzeug, bei dem der MiC 4.0-Bus auf der Baustelle helfen wird, ist ein Tiltrotator, ein Werkzeug, das man an den Bagger anbringen kann und das wie ein Handgelenk für den Arm des Baggers fungiert“, so Schick weiter. „Heute sind wir dort etwas eingeschränkt, weil die Maschine nur über die hydraulische Schnittstelle verfügt, aber für die intelligenten Funktionen benötigen wir auch die elektronische Schnittstelle. Mit dem MiC 4.0-Bus können Sie Steuerbefehle direkt an den Tiltrotator senden, z. B. ‘Bitte kippen’, ‘Bitte drehen’, ‘Bitte den Greifer bedienen’, und zwar auf standardisierte Weise, sodass es unabhängig vom Hersteller des Tiltrotators oder des Baggers funktioniert.“
Bei MiC 4.0 geht es nicht nur darum, dass Maschinen miteinander kommunizieren – es geht darum, Prozesse zu vereinfachen. Sie müssen nicht jedes Detail manuell einrichten; die Systeme können Daten nahtlos austauschen, sodass Sie sofort mit der Arbeit beginnen können.
MiC 4.0 geht die Herausforderungen systematisch an:
- Gemeinsame Semantik: Es werden gemeinsame Definitionen für Variablen (z.B. „letzte bekannte Position“ mit Einheit und Dezimalstellen) festgelegt, vergleichbar mit einer gemeinsamen Sprache, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Tests und Zertifizierung: Um die Einhaltung der Standards zu gewährleisten, hat MiC 4.0 ein Testwerkzeug für ISO 15143-3-Daten entwickelt. Dies gibt Bauunternehmen die Sicherheit, dass Produkte konform sind.
Der Erfolg von MiC 4.0 beruht auf der einzigartigen Fähigkeit, relevante Akteure – darunter 126 Mitglieder aus europäischen Ländern, sowohl Baumaschinen- und Assistenzsystemhersteller als auch Bauunternehmen – an einen Tisch zu bringen. Der Entwicklungsprozess war stets auf den Kundennutzen ausgerichtet, was als leitendes Prinzip bei allen Diskussionen diente. Die Ergebnisse der Arbeit sind öffentlich zugänglich und können von der MiC 4.0-Website heruntergeladen werden.
Zukünftige Chancen und Ausblick auf die bauma 2025
Der langfristige Einfluss von Konnektivität auf die Baubranche ist immens. Durch verbesserte Datenqualität und -verfügbarkeit können tausende Innovationsideen realisiert werden, was zu erhöhter Effizienz und Automatisierung führt. „Ich denke, wenn wir weiter auf eine bessere Konnektivität hinarbeiten, haben wir gute Chancen, wirklich neue Innovationen zu ermöglichen. Es gibt Tausende von Ideen, die wir auf der Grundlage der auf der Baustellenseite gesammelten Daten umsetzen könnten. Aber heute stoßen wir oft auf das Problem, dass die Datenqualität nicht unseren Vorstellungen entspricht oder die Datenverfügbarkeit nicht unseren Anforderungen genügt“, meint Katharina Schick.
Benjamin Beck ergänzt: „Ich würde sagen, dass wir uns vielleicht mehr auf die eigentliche Arbeit konzentrieren sollten, die erledigt werden muss. Wenn ich an Dokumentation und solche Dinge denke, würden wir diese Prozesse gerne auf Basis der Maschinendaten automatisieren, damit ich keine Formulare in Dokumenten ausfüllen muss und mich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren kann.“
Die bauma 2025 wird eine wichtige Plattform sein, um die Fortschritte im Bereich Vernetztes Bauen zu erleben. Besucher können vor Ort eine Vielzahl an Geräten entdecken, die den MiC 4.0-Standard unterstützen. Im LaB0 der bauma (Halle B0) gibt es zudem einen MiC 4.0-Stand geben.
Für mehr Details zum Thema vernetzten Bauen, hören Sie doch gerne die ganze Folge „Talking machines: The new language of networked construction“. Und falls Sie neugierig auf noch mehr spannende Einblicke sind: In den weiteren vier Folgen unseres Podcasts erwarten Sie weitere spannende Gespräche und wertvolle Perspektiven zu den Leitthemen der bauma 2025. Schalten Sie ein und lassen Sie sich inspirieren!
Mehr Informationen zum Vernetzten Bauen
Zum Leitthema "Vernetztes Bauen"
Zu MiC 4.0
Häufige Fragen zu Vernetztem Bauen
Vernetztes Bauen bedeutet, dass Baumaschinen nicht nur ihre Arbeit verrichten, sondern auch nahtlos miteinander und mit externen Systemen kommunizieren können. Dies umfasst sowohl die Kommunikation zwischen Maschine und Anbaugerät (interne Konnektivität) als auch die Übertragung von Maschinendaten an Cloud-Systeme (externe Konnektivität) zur Fernüberwachung, Projekt- und Flottenmanagement. Ziel ist es, die Produktivität zu steigern, Abläufe zu optimieren und neue Funktionen zu ermöglichen.
Die Hauptchallenge ist die Interoperabilität. Baustellen nutzen oft Maschinen und Anbaugeräte verschiedener Hersteller (Mischflotten), und die derzeitigen Schnittstellen sind nicht ausreichend für intelligente Funktionen. Bei der Kommunikation zur Cloud gibt es Einschränkungen durch Interpretationsspielräume in Standards und verzögerte Datenübertragung (z.B. nur alle 15 Minuten). Die größten Hürden sind jedoch organisatorischer und politischer Natur, da verschiedene Akteure unterschiedliche Interessen und Prozesse haben, die angepasst werden müssen.
MiC 4.0 schafft standardisierte Kommunikationswege. Der MiC 4.0-Bus ermöglicht dabei eine "Plug-and-Work"-Lösung zwischen Baggern und Anbaugeräten verschiedener Hersteller, indem er standardisierte elektronische Schnittstellen definiert.
Die Arbeitsgemeinschaft MiC 4.0 befasst sich mit den Schwächen der externen Datenübertragungsstandards, reduziert Interpretationsspielräume und entwickelt Testtools zur Sicherstellung der Konformität von Produkten. Durch die Zusammenarbeit von über 126 Mitgliedern aus der gesamten Wertschöpfungskette werden praxistaugliche Standards entwickelt, die den Kundennutzen in den Mittelpunkt stellen.
Standards sind entscheidend, um eine reibungslose Interoperabilität zu gewährleisten. Sie legen eine gemeinsame Sprache und Definitionen für den Datenaustausch fest, ähnlich wie Wörter und Grammatik in der menschlichen Kommunikation. Zertifizierungen bestätigen, dass Produkte die festgelegten Standards erfüllen. Dies gibt Bauunternehmen die Sicherheit, dass verschiedene Maschinen und Systeme miteinander kompatibel sind und reibungslos zusammenarbeiten, wodurch Investitionsrisiken minimiert und Flexibilität für die Zukunft geschaffen werden.
Vernetztes Bauen ermöglicht es Bauunternehmen, Maschinen unterschiedlicher Hersteller nahtlos zu vernetzen – das verbessert Logistik, steigert die Effizienz und schafft neue Spielräume für Automatisierung.
Konkrete Vorteile sind:
- Verbessertes Flotten- und Projektmanagement: Echtzeitinformationen zu Maschinenpositionen, Arbeitszeiten, Kraftstoffständen und Fehlercodes ermöglichen eine effizientere Logistik und Planung.
- Erhöhte Effizienz und Produktivität: Intelligente Anbaugeräte und Maschinen können Aufgaben schneller und präziser erledigen.
- Bessere Datennutzung: Eine höhere Datenqualität und -verfügbarkeit ermöglicht neue Innovationen und optimierte Prozesse auf der Baustelle.
- Automatisierung von Prozessen: Zukünftig könnten Prozesse wie die Dokumentation basierend auf Maschinendaten automatisiert werden, wodurch sich Mitarbeiter auf die Kernaufgaben konzentrieren können.
- Mehr Flexibilität: Durch standardisierte Schnittstellen können Werkzeuge und Maschinen verschiedener Hersteller einfacher kombiniert und eingesetzt werden, was die Abhängigkeit von einzelnen OEMs reduziert.